Österreich weist mit 4,2 % die niedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union auf (Eurostat 2012). Das Gewinnen neuer MitarbeiterInnen wird damit nicht nur zur professionellen Herausforderung von Personalabteilungen, sondern zur Überlebensfrage von Unternehmen: Können wir unsere Aufträge noch abarbeiten, unsere strategischen Zielsetzungen erreichen, wenn uns dafür das nötige Personal fehlt? Die Rollenzuordnung am Arbeitsmarkt qualifizierter Fachkräfte hat sich gedreht. Nicht BewerberInnen müssen Unternehmen überzeugen, sondern Unternehmen interessante KandidatInnen. Das Recruiting ist heute damit konfrontiert, nicht nur auszuwählen, sondern (sich be)werben zu müssen.

Die Arbeitgeberattraktivität ist Wettbewerbsfaktor.

Die Attraktivität als Arbeitgeber in seiner Komplexität, Vielschichtigkeit und Individualität wird damit zum zentralen Wettbewerbsfaktor am Arbeitsmarkt. Sowohl Arbeitsmärkte, als auch Arbeitgeber werden durch das Internet zunehmend transparenter (Trost 2012, S. 9 f). Für Jobsuchende ist es damit ein Leichtes, Stellenangebote miteinander zu vergleichen, Einblicke in die Welt der Arbeitgeber zu gewinnen. Diese Transparenz erhöht den Wettbewerbsdruck am Arbeitsmarkt durch Vergleichbarkeit. Die Attraktivität des Unternehmens will also aktiv vermarktet und kommuniziert sein.

Damit wird die Personalbeschaffung zunehmend zur unternehmerischen Aufgabe mit Vertriebscharakter und nimmt Anleihe an Instrumenten des Marketings. Die Rekrutierung von MitarbeiterInnen mit Hilfe einer unverwechselbaren Arbeitgebermarke trägt verschiedene Namen: HR-Kommunikation, Employer Communications, manchmal schlicht (externes) Personalmarketing und gerne Employer Branding, die Arbeitgebermarkenbildung.

Marken bilden Präferenzen.

Der Begriff Marke wird nahezu inflationär (Mast et al. 2008, S. 65) und uneinheitlich verwendet. Nicht anders verhält es sich mit den Begriffen Identität, Image oder Reputation. Marke lässt sich verstehen als Versprechen eines Unternehmens gegenüber Anspruchsgruppen, also vorrangig gegenüber Mitarbeiterinnen und genauso gegenüber BewerberInnen. In die Markenbildung wird das Selbstverständnis des Unternehmens, seine Identität, einfließen. Wie die Anspruchsgruppen das Unternehmen wahrnehmen, beschreibt das Image. Wie das Unternehmen in der Öffentlichkeit thematisiert und wahrgenommen wird, meint die Reputation des Unternehmens (Mast et al. 2008, S. 61 in Anlehnung an Herger).

Welchen Nutzen bietet eine Marke? Eine Marke gibt Orientierung und minimiert das Entscheidungsrisiko, sie vermittelt Vertrauen und Prestige. Sie ermöglicht Selbstdarstellung und Dokumentation der sozialen Zugehörigkeit (Preißing 2010, S.115f). Die Arbeitgebermarke bietet Möglichkeit zur Identifikation, bildet vor allem Präferenzen (ich bevorzuge A gegenüber B, C, D als Arbeitgeber), differenziert und emotionalisiert (Stotz/Wedel 2009, S. 10f, S. 29). Die umfangreichen Informationen üben aber auch, besonders bedeutend für den Rekrutierungsprozess, eine selbstselektive Wirkung aus. BewerberInnen haben die Möglichkeit, ihre „Passung“ mit dem Unternehmen vorab zu klären. Für das Recruiting bedeutet dies weniger Quantität, mehr Qualität an Bewerbungen.

Die einzigartige Persönlichkeit des Unternehmens wird in den Köpfen geformt.

Machen Marken auch attraktiv? „Die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber ist ein Konstrukt, welches […] sich in den Gedächtnissen der Zielgruppen des Personalmarketings formt“ (Eilert 2011, S. 3). Und dieses Konstrukt speist sich aus den unterschiedlichsten Quellen. Die Attraktivität des Standortes oder der Branche spielt dabei genauso eine Rolle wie das Leistungsangebot des Unternehmens. Das Personalmanagement ist gefordert, differenzierende Attraktivitätsaspekte herauszuarbeiten, zielgruppenbezogen über adäquate Kanäle als Arbeitgebermarke zu kommunizieren und erlebbar zu machen. Denn Attraktivität wird in den Köpfen der Zielgruppen geformt. Jede Information, jedes Erleben formt. Gerade im dirketen Kontakt zwischen BewerberInnen und Personalmanagement: Im Bewerbermanagement erlebt der/die potenzielle MitarbeiterIn unmittelbar das Arbeitsverhalten der MitarbeiterInnen und die Arbeitsatmosphäre des Unternehmens (Schuhmacher/Geschwill 2009, S.99). Das Bewerbermanagement wird damit zum Instrument intensiver Imagekommunikation. Insbesondere Bewerbungsgespräche vor Ort genauso wie schriftliche Kontakte vermitteln BewerberInnen umfassende Eindrücke vom Unternehmen, die ihre Entscheidung für oder gegen das Stellenangebot beeinflussen (Beck 2008, S. 88 ff).

Employer Branding ist strategisches und systematisches Formen. Die Employee oder Employment Value Proposition vermittelt dabei den Nutzen, den das Arbeiten in diesem Unternehmen stiftet. Die Unique Employment Proposition (UEP) verdeutlicht, was das Unternehmen von anderen unterscheidbar, in gewisser Weise einzigartig macht (Stotz/Wedel 2009, S. 103; Preißing 2010, S. 115).

Die UEP, das Alleinstellungsmerkmal eines Arbeitgebers wird sich nicht allein an einem Bullet-Point der Wir-bieten-Liste in Stelleninseraten festmachen lassen: Fitnessstudio, flexible Arbeitszeiten, Mitarbeiterrestaurant, Karrierechancen, attraktive Dotierung und Sozialleistungen vermögen in ihrer Worthülsensemantik kaum Einzigartigkeit zu vermitteln. “Das Gesamtpaket muss stimmen”, ist eine häufige Aussagen von BewerberInnen, wenn es darum geht, in Einstellungsgesprächen die Konditionen des Arbeitsvertrages zu verhandeln. Gründet die Arbeitgeberpräferenz potenzieller, neuer MitarbeiterInnen also nicht vielmehr in einem Set von Attraktivitätsmerkmalen? Dieses Set von Merkmalen verdichtet sich zu einem Gesamtbild, zur Arbeitgebermarke, zur Employer Brand, ähnlich wie sich Erscheinungsbild, Verhalten, Denkmuster etc. zum Konstrukt Persönlichkeit verdichten. Die Persönlichkeit als Marke des Ich. Die Employer Brand als Persönlichkeit des Unternehmens.

Konkret. Ursächlich. Relevant. Spezifisch. Tatsächlich.

Um diese Persönlichkeit, eine für sich sprechende Markenidentität zu schaffen, gilt es, einen Markenkern und zwei bis vier Markenwerte zu formulieren, die konkret, ursächlich, relevant und spezifisch sind: Qualität beispielsweise vermag kaum zu differenzieren und ist wenig konkret, sie ist auch nicht ursächlicher Markentreiber, sondern vielmehr Resultat, anders beispielsweise der Begriff Präzision, er drückt wesentlicher konkreter aus, was ursächlich zu Qualität führt. Er ist dann als zu kommunizierender Markenwert geeignet, wenn er für die Zielgruppe relevant ist (z.B. für WissenschaftlerInnen in der Forschung) und spezifisch, also besonders charakterisierend für das Unternehmen oder für seine Unternehmensgeschichte steht, klar belegbar und damit kaum kopierbar (Kilian 2009, S. 42 f). Der erste Schritt zur Employer Brand bleibt damit die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit dem eigenen Selbstverständnis. Und mit dem tatsächlichen Leistungsangebot als Arbeitgeber gegenüber seinen MitarbeiterInnen. Denn kommunizierte Markenwerte, die Attraktivitätsmerkmale der Employer Brand, sind Leistungsversprechen. Und die werden eingefordert.

Die Employer Brand ist ein effektives Mittel, die Aufmerksamkeit jener Menschen zu wecken, die zum Unternehmen passen. Gleichzeitig eine Entscheidungshilfe für jene, die ihre berufliche Zukunft (neu) gestalten wollen. Eine win-win-win-Situation – für potenzielle BewerberInnen, für das Unternehmen, für das Personalmanagement – im Gewinnen neuer MitarbeiterInnen.

Quelle: DrCouch.at

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