Viele Manager verstellen sich, weil sie stark und souverän wirken wollen. Doch in manchen Situationen kann ein Wutausbruch oder eine ehrlich gemeinte Entschuldigung genau das Richtige sein. Ein Plädoyer für echte Emotionen und effektive Führung.
Wenn Manager heute kommunizieren, nutzen sie meistens eine rundgeschliffene Sprache, die niemandem wehtun soll. Es sind vorbereitete Botschaften von der Stange, immer mit dem Ziel, den vermeintlich richtigen Ton zu treffen. Authentisch ist so eine Kommunikation nicht. Authentisch wäre: Eine Person teilt ehrlich mit, wie sie sich gerade fühlt. Wenn wir so etwas hören, berührt uns das. Zum einen, weil so etwas relativ selten ist. Und einfach deshalb, weil wir spüren: Das ist echt. Manchmal sind Emotionen unbequem oder wirken auch etwas chaotisch. Aber genau darin liegt ihre Kraft. Niemand versucht, irgendetwas zu verbergen.
Wir verbergen unsere Gefühle, um die Kontrolle zu behalten und stark auszusehen. So wollen wir uns Probleme vom Hals halten. Aber in der Realität führt derartiges Verhalten dazu, dass wir die Kontrolle verlieren und unsere eigene Führungsfähigkeit schwächen, weil wir uns selbst lähmen. Es endet damit, dass wir nicht sagen, was wir eigentlich meinen. Wir reden um den heißen Brei herum. So scheitern wir daran, eine echte Verbindung zu unserem Gegenüber aufzubauen, überzeugen niemanden und kommunizieren nicht effektiv.
Natürlich: Im Geschäftsleben zu emotional zu sein kann zu Problemen führen. Es verhindert eine objektive Analyse, verdirbt Verhandlungssituationen und führt zu überstürzten Entscheidungen. Aber meine fast 20-jährige Erfahrung und Zusammenarbeit mit Führungspersönlichkeiten zeigt mir: Zu viel Emotion zu ist ein sehr viel geringeres Problem als das Gegenteil – nämlich zu wenig Emotion.
Gefühle sind der kritische Faktor bei allem, was Führungspersönlichkeiten tun müssen: Vertrauen aufbauen, Beziehungen vertiefen, eine Vision vorgeben, motivieren, Menschen in Bewegung halten, Kompromisse schließen, harte Entscheidungen treffen und aus Fehlern lernen. Ohne echte Emotionen sind diese Dinge flach und schal. Sie brauchen Emotionen, um an der Kundenseite die richtigen Prioritäten zu setzen. Und Sie brauchen sie im Unternehmen, um Ihre Mitarbeiter zu motivieren und zu inspirieren.
In meiner Arbeit habe ich eine Reihe von Beispielen gesammelt, bei denen Manager emotional reagierten – mit positiven Folgen.
“Ich bin wütend, weil ich mich drei Stunden lang mit einem Problem herumgeschlagen habe, das Du verursacht hast – und um das Du Dich eigentlich hättest kümmern müssen. Bring mich nie wieder in eine solche Lage!” Joan war Partnerin in einem Beratungsunternehmen. Sie hasste Konflikte und sagte solche Dinge äußerst selten. Normalerweise krempelte sie bei Problemen einfach die Ärmel hoch und kümmerte sich selbst um eine Lösung. Selbst dann, wenn sie das Problem gar nicht verursacht hatte. Dann wurde sie befördert und übernahm die Verantwortung für die Geschäfte im Südosten der USA. Dort musste sich sie um zu viele Probleme persönlich kümmern. Der obige Ausbruch und das anschließende Gespräch waren im Grunde Selbstschutz. Aber sie sandte so ein klares Signal an den Partner, der für das Büro in Atlanta verantwortlich war: “Lass nie wieder einen solchen Personalengpass zu. Und wenn es eng wird, kümmere dich gefälligst selbst darum und löse das Problem, bevor es auf meinem Schreibtisch landet.” Diese Ansage war untypisch hart und aggressiv für Joan. Aber diese Situation erforderte genau diese Kommunikation. Das ist zwei Jahre her – das Problem ist seitdem nicht mehr aufgetaucht.
Quelle: Harvard Business Manager von Doug Sundheim